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Ralf Schuricht: Taratalla. Latein Grammatik, 2009 <www.taratalla.de>.

1.3 Lautgesetze

1.3.2 Veränderung von Konsonanten

Rhotazismus
Bereits in einer frühen Phase der lateinischen Sprachentwicklung wurde -s- zwischen Vokalen zu -r-. Daher z.B. der Genitiv temporis zu tempus, die Imperfektform erat zu esse oder überhaupt die Infinitivendung -re (z.B. amā-re, vgl. aber es-se oder amāvis-se). Findet sich gelegentlich doch ein -s- zwischen zwei Vokalen, ist es meistens aus Doppelkonsonanz -ss- entstanden (z.B. causa aus caussa).
Dissimilation von
Liquiden
Als unschön wurde es offfenbar empfunden, wenn benachbarte Silben mit demselben Liquid begannen. Dann wurde einer von beiden dissimiliert, d.h. -l- wurde zu -r- oder umgekehrt. So variiert z.B. das Adjektivsuffix -ālis und -āris je nach vorhergehendem Liquid: daher also generālis, aber singulāris.
Assimilation und
Annäherung
Viel häufiger als Dissimiliation fand jedoch Assimilation statt, also die Angleichung unmittelbar benachbarter Konsonanten. Vor allem bei Präfixen fand eine Angleichung an den nachfolgenden Konsonanten statt, siehe z.B. die Stammformen von afferre: afferō attulī allātum. Umgekehrt wurde in Suffixen eher der Anlaut des Suffixes an den Stammauslaut angegelichen, so z.B. beim Infinitiv vel-le (aus vel-se) oder bei den Superlativen acer-rimus und facil-limus (vgl. lātis-simus).
Keine vollständige Assimilation, sondern nur eine Annäherung finden wir bei Nasalen. So wurde z.B. aus eum vor einem Dental eundem; Änhliches finden wir bei condūcere, cōnferre und cōnsequī, während bei compōnere das ursprüngliche com- (= cum) erhalten blieb. Umgekehrt wurde ursprüngliches in- vor Labialen zu im-, z.B. bei impōnere.
Eine weitere Annäherung finden wir vor -s- und -t-: stimmhafte Labiale und Gutturale (-b-, -g-) wurden stimmlos, siehe z.B. die Stammformen scrībō scrīpsī scrīptum oder regō rēxī rēctum; ähnlich auch vehō vēxī vectum.
Konsonanten-
schwund
Der wohl bekannteste Konsonantenschwund ist der von Dentalen vor -s-. Wir kennen ihn aus der konsonantischen Deklination (z.B. mīles aus mīlets, laus aus lauds, nox aus nocts, cor aus cord) und aus der Perfektstammbildung (z.B. mīsī aus mīttsī, vīsī aus vīdsī). Auch der Abl. Sg. der vokalischen Deklinationen lautete ursprünglich auf -d aus, daher altlat. Gnaivōd = klassisch Gnaeō. Bei der Vorsilbe red- blieb das -d- nur vor Vokalen erhalten (z.B. redīre, aber revertere).
Auch sonst neigte das Lateinische zur Vereinfachung von Konsonantengruppen.   So schwand -g- im Anlaut vor Nasalen (vgl. nōscere mit cōgnōscere), -v- zwischen gleichen Vokalen (z.B. vīta aus vivita) oder vor -o- (z.B. parum aus parvom, cum aus quom oder cuius aus quoius) oder -s- vor d, Nasalen und Liquiden, wobei der vorhergehende Vokal ersatzgedehnt wurde (z.B. trēdecim aus tres-decim, īdem aus is-dem, pōnere aus posnere und dīripere aus dis-rapere.
Doppelkonsonanten, insbesodnere -ss-, wurden nach langen Vokalen und Diphthongen vereinfacht (z.B. causa aus caussa, vgl. vīlicus mit vīlla), und auch sonst wurden aus längeren Konsonanantengruppen einzelne Konsonanten ausgestoßen (z.B. iūmentum aus iouxmentum, fulmen aus fulgmen).
Konsonanten-
entfaltung
Entfaltung von Konsonanten finden wir zwischen -m- und -s- bzw. -t-. Dort schob sich zur leichteren Asussprache ein -p- ein, siehe z.B. die Stammformen sūmō sūmpsī sūmptum.
© 2009 R. Schuricht <www.taratalla.de>