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Ralf Schuricht: Taratalla. Latein Grammatik, 2009 <www.taratalla.de>.

4.5 Hauptsätze

4.5.4 Fragesätze

Man unterscheidet Wortfragen, mit denen nach einzelnen Satzteilen gefragt wird, einfache Satzfragen, mit denen nach der Gültigkeit der ganzen Satzaussage gefragt wird, und Entscheidungsfragen (disjunktive Fragen / Doppelfragen), in denen nach der Entscheidung zwischen zwei oder mehr Alternativen gefragt wird. Zumindest im klassichen Latein werden Satzfragen durch Fragepartikel kenntlich gemacht.
Frageart
Einleitende Fragewörter
Wortfragen
Wortfragen werden wie im Deutschen durch ein Fragepronomen oder Frageadverb eingeleitet:
Quis hunc librum lēgit? – Wer hat dieses Buch gelesen?
Quem librum lēgistī? – Welches Buch hast du gelesen?
Ūtrum librōrum lēgistī? – Welches der beiden Bücher hast du gelesen?
Quandō / ubī / cūr hunc librum lēgistī? – Wann / wo / warum hast du dieses Buch gelesen?
einfache
Satzfragen
Satzfragen ohne jegliche Fragepartikel sind im klassischen Latein selten und gehören eher zur emotional geladenen Umgangssprache, wobei die Grenze zu Ausrufesätzen fließend ist. Das Prädikat steht (ähnlich wie in unseren Inversionsfragen) oft am Satzanfang:
Vidēs hunc? – Siehst du ihn?
Quaeris, quid sit? – Du fragst, was los ist?
Im klassischen Latein wird bei offenen Satzfragen die enklitische Partikel -ne an das erste Wort angehängt. Auch hier steht das Prädikat oder das meistbetonte Wort des Satzes oft am Anfang:
Lēgistīne hunc librum? – Hast du dieses Buch gelesen?
Huncne librum lēgistī? – Du hast dieses Buch gelesen?
Tūne hunc librum lēgistī? – Du hast dieses Buch gelesen?
Mit nōnne (etwa nicht) und num (etwa) zeigt der Sprecher an, dass er eine bejahende bzw. verneinende Antwort erwartet:
Nōnne hunc librum lēgistī? – Hast du dieses Buch etwa nicht gelesen?
Num hunc librum lēgistī? – Hast du dieses Buch etwa gelesen?
Mit an (oder etwa) werden Fragen eingeleitet, die den unmittelbar vorhergehenden Gedanken, sei es den des Sprechers oder des Dialogpartners, aufgreifen und um einen entgegengesetzten Gedanken bereichern:
Redde mihī librum meum! An eum perdidistī? – Gib mir mein Buch zurück! Oder hast du es etwa verloren?
Cūr hunc librum ēmistī? An legendī causā? – Warum hast du dieses Buch gekauft? Etwa um es zu lesen?
Doppel- oder
Entscheidungs-
fragen
Das erste Glied wird entweder mit utrum oder mit enklitischem -ne, seltener auch ohne jegliche Fragepartikel eingeleitet. Das zweite Glied sowie eventuell noch weitere Glieder werden stets mit an eingeleitet. Die Wortstellung kann variieren:
Utrum hunc librum lēgistī an illum? – Hast du dieses Buch gelesen oder jenes?
Hunc librum an illum lēgistī? – Hast du dieses oder jenes Buch gelesen?
Ūtrum librōrum lēgistī: Huncne an illum? – Welches der beiden Bücher hast du gelesen: dieses oder jenes?
Ist die zweite Alternative nur die Negation der ersten, verwendet man an nōn (mit oder ohne Wiederholung des Prädikats) oder necne (ohne Wiederholung):
Utrum hunc librum lēgistī an nōn (lēgistī)? – Hast du dieses Buch gelesen oder nicht?
Lēgistī hunc librum necne? – Hast du dieses Buch gelesen oder nicht?
4.5.1 Aussagesätze 4.5.2 Befehlssätze 4.5.3 Wunschsätze
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