Funktion
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Erläuterungen
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prädikativ I:
in den obliquen Kasus anstelle des Gerundiums mit Akk.-Obj. |
Anstelle des Gerundiums mit Akkusativobjekt wird gewöhnlich die adjektivische Konstruktion
mit dem Gerundivum bevorzugt, bei der beide Bestandteile in KNG-Kongruenz stehen. Der Kasus richtet sich
dabei nach der Funktion, die die Konstruktion im Satz hat, Numerus und Genus nach dem Objekt der
Handlung. Das Zeitverhältnis zur übergeordneten Handlung ist häufig eher gleichzeitig als
nachzeitig.
Librōrum legendōrum causā adsunt. – Wegen des Lesens der Bücher sind sie da.
quīndecimvirī sacrīs faciundīs – das 15-Männer-Kollegium zur Durchführung der Opfer Ad pūgnam spectandam convenītur. – Man kommt zum Betrachten des Kampfes zusammen. In aedificiō dēlendō flēvit. – Bei der Zerstörung des Gebäudes weinte er. Bei der deutschen Übersetzung hat man gewöhnlich die Auswahl, ob man die Handlung adjektivisch,
substantivisch oder als erweiterten Infinitiv mit zu wiedergeben will:
Librōrum legendōrum causā ...
– Wegen der zu lesenden Bücher ... – Wegen des Lesens der Bücher / Wegen des Bücherlesens ... – Um Bücher zu lesen ... Ausnahmen: Das obige Beispiel ist eigentlich schlecht gewählt. Da die Ausgänge
im Genetiv Plural recht schwerfällig klingen, wird gerade in solchen Fällen oft die Konstruktion mit
Gerundium und Akkusativobjekt bevorzugt: librōs legendī causā. Notwendig wird diese Konstruktion
als Gerundium vor allem auch dann, wenn das Objekt der Handlung das Neutrum eines Pronomens oder Adjektivs ist,
da sich diese Neutra im Akkusativ leichter von Maskulina unterscheiden lassen:
cupiditās id audiendī – das Verlagen, dies zu hören
cupiditās futūra videndī – das Verlangen, in die Zukunft zu schauen Transitiv als Gerundivkonstruktion lassen sich dagegen auch die intransitiven Deponentien
konstruieren, die normalerweise eine Ergänzung im Ablativ bei sich haben, also ūtī
(benutzen), fruī (genießen), fungī (verwalten), vēscī (zehren,
sich nähren) und potīrī (sich bemächtigen):
facultās ōtiī fruendī – die Möglichkeit, die Muße zu genießen
ad rēgnum potiendum – um sich der Königsherrschaft zu bemächtigen in gladiīs ūtendīs – beim Benutzen der Schwerter |
Im modalen Ablativ entspricht die Gerundivkonstruktion formal einem Ablativus absolutus, der
mit einem Partizip Passiv der Gleichzeitigkeit konstruiert wird:
Meō nōmine recitandō applausum est. – Bei der Nennung meines Namens wurde
Beifall geklatscht.
Nūllīs librīs legendīs bibliothēca frequentissimē adītur. – Die Bibliothek wird sehr oft besucht, ohne dass dabei irgendwelche Bücher gelesen werden. |
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prädikativ II:
im doppelten Akkusativ |
Nach bestimmten Verben kann die Angabe des Zwecks als prädikatives Gerundivum direkt an
ein Akkusativobjekt angeschlossen werden. Dazu gehören vor allem die Verben
des Gebens und Nehmens (dare, trādere, attribuere, accipere, sūmere, suscipere),
des Veranlassens (cūrāre, locāre),
des Erlaubens (permittere, praebēre),
des Verlangens (poscere, rogāre) und
des Gelobens (vovēre):
Puerōs pūniendōs trādidit. – Er übergab die Jungen zur Bestrafung (als zu Bestrafende).
Frūmentum comparandum cūrāvit. – Er sorgte für die Beschaffung von Getreide. Templum restituendum vōvit. – Er gelobte die Wiederherstellung des Tempels. Auch die Konstruktion als Passiv mit prädikativem Nominativ ist möglich: Puerī pūniendī trāditī sunt. – Die Jungen wurden zur Bestrafung übergeben |
prädikativ III:
als Prädiakts- nomen mit esse |
Als Prädikatsnomen mit esse wird das Gerundivum gewöhnlich mit müssen,
in verneinten Aussagen sowie in Frage- und Bedingungssätzen eher mit (nicht) dürfen übersetzt.
Bei intransitiven Verben ist nur die Konstruktion im unpersönlichen Passiv möglich:
Librī legendī sunt. – Die Bücher müssen gelesen werden (sind zu lesende).
Legendīne hī librī sunt? – Darf/muss man diese Bücher lesen? (Sind die B. zum Lesen da?) Librī legendī nōn sunt. – Die Bücher dürfen nicht gelesen werden (sind nicht zu lesende). Hōs librōs legendōs nōn esse sciō – Ich weiß, dass man diese Bücher nicht lesen darf. Mihī pārendum est. – Es muss mir gehorcht werden. / Man muss mir gehorchen
Soll der Urheber ergänzt werden, geschieht dies normalerweise im dativus auctoris,
gelegentlich auch im ablativus auctoris mit der Präposition ab, wenn das Verb ein Dativobjekt bei sich hat
und die Funktion des Dativs nicht eindeutig ist.
Liber tibī legendus est. – Das Buch muss von dir gelesen werden. / Du musst das Buch lesen.
Mihī ā tē pārendum est. – Du musst mir gehorchen. Anders als in den obliquen Kasus (siehe oben) bleiben die intransitiven Deponentien
ūtī, fruī, fungī, vēscī und potīrī
auch als Prädikatsnomen intransitiv, werden daher als unpersönliches Passiv konstruiert und regieren
den Ablativ:
Ōtiō fruendum est. – Man muss die Muße genießen.
Rēgnō tibī potiendum est. – Du musst dich der Königsherrschaft bemächtigen. Gladiīs nōbīs ūtendum est. – Wir müssen die Schwerter benutzen. |
attributiv
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Die attributive Verwendung des Gerundivums hat sich erst aus der prädikativen Verwendung
entwickelt. Bei der Suche nach passenden deutschen Adjektiven ist Kreativität gefragt. Notfalls kann man auch auf
einen Relativsatz ausweichen.
liber legendus – ein zu lesendes / lesenswertes Buch / ein Buch, das man lesen muss
factum laudandum / puellae laudandae – eine löbliche Tat / lobenswerte Mädchen hostēs timendī – fürchterliche / furchteinflößende Feinde |